Systemkamera oder Handy: Werden Smartphones echte Kameras ablösen?

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Smartphone-Kameras werden immer besser. Könnten sie Systemkameras bald ablösen? Wir haben uns angesehen, was Handykameras und Profikameras unterscheidet.
Für viele Konsumenten hat das Smartphone die Digitalkamera bereits ersetzt. Laut einer im März 2023 veröffentlichten Erhebung des Marktforschungsinstituts GfK im Auftrag des Photoindustrie-Verbands wurden im Jahr 2022 noch 647 Millionen Euro mit allen Arten von digitalen Fotokameras erwirtschaftet – inklusive Camcorder und Actioncams. Im Jahr 2007 waren es noch fast zwei Milliarden Euro gewesen. Der Kameramarkt ist ein Schatten seines früheren Selbst – trotzdem sind auch 647 Millionen Euro eine nicht zu verachtende Summe.
Ein Grund für den Verkaufsrückgang könnte sein, dass es unnötig ist, sich regelmäßig eine neue Kamera zu kaufen. Wer eine ordentliche DSLR (digitale Spiegelreflexkamera) oder Systemkamera erwirbt, ist oft lange damit glücklich. Neue Entwicklungen sind vor allem für bestimmte Anwendungen wie 4K- oder 8K-Videos relevant. Ein anderer Grund dürfte darin liegen, dass heutzutage viele Leute ihre Handykamera anstelle einer Kompaktkamera verwenden.
Die Kamerasensoren von Handys werden immer größer – einige der besten Kamera-Smartphones wie das Honor Magic5 Pro haben einen beinahe 1 Zoll großen Sensor. Das ist wichtig, weil ein größerer Sensor mehr Licht einfängt. Das verbessert den Kontrastumfang und sorgt für hübschere Aufnahmen bei wenig Licht.
Die Sensoren von Systemkameras starten bei der „Micro Four Thirds“ genannten Größe und reichen bis hin zum Mittelformat (Medium Format). Sie sind also ungleich lichtstärker und liefern Fotos, die lebensechter wirken. Ein Beispiel: Der Handysensor in der Größe 1/1,7 Zoll misst 7,60 x 5,70 Millimeter, ein Vollformat-Kamerasensor hingegen 36 x 24 Millimeter. Auf der Grafik unten siehst du die verschiedenen Sensoren im relativen Größenvergleich.

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Letztlich greifen Konsumenten für Fotos ohnehin zu ihrem Handy, egal was Fotografie-Enthusiasten dazu sagen. Profifotografen hingegen verlassen sich auf echte Kameras. Beide Gruppen haben gute Gründe für ihre Präferenzen. Im Folgenden zeigen wir auf, warum sowohl Konsumenten als auch Profifotografen mit ihrer Kamerawahl richtig liegen.
Warum nutzen viele Konsumenten heute Handys statt echter Kameras?
Die meisten Deutschen haben ein Smartphone. Laut einer Erhebung der VuMA (Verbrauchs- und Medienanalyse) und Bitkom Research aus dem Jahr 2022 waren es 2021 rund 63 Millionen von damals 83,2 Millionen Deutschen. In der Regel haben die Leute ihr Smartphone immer dabei, und es ist mit einer oder mehreren Kameras ausgestattet. Möchten sie unterwegs ein Foto knipsen, liegt es nahe, dass sie ihr Smartphone zücken.

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Abseits von der Verbreitung der Smartphones ist ein weiterer Faktor für den Niedergang der Digitalkameras, dass Handys Fotos in ausreichender Qualität liefern. Einfache Kompaktkameras schaffen nicht viel mehr, nur Premium-Kompaktkameras mit großen Sensoren und hochwertigen Objektiven sind Smartphones weiterhin überlegen. Das gilt natürlich auch für echte Profikameras. Für Schnappschüsse genügen Handys jedoch. Und mehr als Schnappschüsse machen die meisten Konsumenten mit ihren Kameras in der Regel nicht.
Der dritte Grund für den Siegeszug der Handykameras ist die Verwendung der Fotos. Die Leute drucken sie häufig nicht mehr aus, sondern sie landen online in der Cloud. Auch möchten viele Menschen ihre Fotos in den sozialen Medien teilen, deren Apps praktischerweise direkt auf den Smartphones installiert sind.
Wer seine Fotos ein wenig bearbeiten möchte, kann das auch auf dem Handy erledigen. Da kommt es gelegen, dass der Smartphone-Bildschirm meist größer und besser ist als der von Systemkameras.
Warum gibt es noch Fotografen und Profikameras?
Warum nutzen Profifotografen nicht einfach ihr Handy? Ja, warum gibt es überhaupt noch Profifotografen, wenn Smartphone-Kameras heute so mächtig sind und jeder sie verwenden kann?

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Warum gibt es noch richtige Fotografen?
Profifotografen beherrschen Fotografie als Beruf, manchmal sogar als Kunst. Sie kennen sich mit Aspekten wie Belichtungszeit, Blende, Blitz und Brennweite aus, um nur die Bs zu nennen. Sie wissen, wie sich Motive gut in Szene setzen lassen und wie man Bilder richtig bearbeitet. Auch sind sie Profis für Fototechnik wie Lichtboxen und Diffusorkugeln, von denen die meisten Handyfotografen wahrscheinlich noch nie gehört haben. Sie erschaffen makellose Fotos mit genau dem richtigen Look.
Profifotografen sind, wie der Name schon sagt, für professionelle Aufgaben zuständig. Sie lichten Politiker ab, arbeiten für Unternehmen, Marketing und Medien – aber auch für Privatpersonen, etwa bei besonderen Anlässen wie Abschlussfeier und Hochzeit. Meine persönliche Einschätzung ist, dass professionelle Fotografen niemals durch eine Technologie ersetzt werden können.
Hörtipp: Ersetzt das Handy wirklich alles?
In dieser Folge des TURN ON-Podcasts diskutieren Jens Herforth, ein Moderator unseres YouTube-Kanals, und ich die Frage, ob Smartphones andere Geräte wie CD-Player und Kameras wirklich ersetzen können. Ich erläutere, was für eine echte Kamera spricht.
- Spotify: Smartphones: Ersetzt das Handy wirklich alles?
- Apple Podcasts: Smartphones: Ersetzt das Handy wirklich alles?
Warum gibt es noch Systemkameras?
Spiegellose Systemkameras und früher DSLRs sind in erster Linie die Werkzeuge von Profifotografen. Sie spielen in einer anderen Liga als Smartphone-Kameras – und dienen anderen Zwecken, haben also allein dadurch ihre Daseinsberechtigung. Schließlich würde auch niemand behaupten, dass seine Zahnbürste die professionellen Zahnreinigungswerkzeuge beim Zahnarzt ersetzen könnte. Oder die Familienkutsche einen Formel-1-Rennwagen.

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Hier sind einige der Gründe für die technische Überlegenheit von Profikameras:
- Größerer Sensor: Die großen Bildsensoren von Systemkameras fangen deutlich mehr Licht und damit mehr Bildinformationen ein als die winzigen Handysensoren. Smartphones tricksen mit digitaler Bildverarbeitung, um den Nachteil abzuschwächen. Doch die Bildverarbeitung kann nur mit den vorliegenden Bildinformationen arbeiten – und davon haben Systemkameras viel mehr, so liefern sie lebensechtere Fotos.
- Höhere Auflösung: Auf dem Papier haben einige Smartphones höhere Fotoauflösungen als teure Mittelformatkameras. Das Samsung Galaxy S23 Ultra bietet etwa eine 200-Megapixel-Hauptkamera. Doch der Scheint trügt, denn die Datenqualität der kleinen Sensoren ist gering, und viele Megapixel voller Bildrauschen haben kaum einen Vorteil.
- Echtes Bokeh: Für den sogenannten Bokeh-Effekt wird das Hauptmotiv scharf abgebildet, die Bildteile davor und dahinter werden unscharf dargestellt. Fast alle Smartphones können den Bokeh-Effekt nur simulieren – mit Systemkameras wirkt die Trennung des Hauptmotivs vom Hintergrund viel organischer und natürlicher. Ein schöner Bokeh-Effekt lässt auch das Hauptmotiv hübscher wirken.
- Mehr Objektive: Handykameras sind meist auf wenige Festbrennweiten begrenzt. Für Systemkameras gibt es echte Zoomobjektive für stufenlosen Zoom, der weiter reicht und eine höhere Bildqualität ermöglicht als bei Smartphones. Auch die anderen Objektive, etwa für Makroaufnahmen oder Porträts, sind von weitaus höherer Qualität und eröffnen mehr kreative Möglichkeiten als die meist aus Kunststoff produzierten Handylinsen.
- Höherer Kontrastumfang: Da dieser Aspekt maßgeblich von der Sensorgröße abhängt, liefern Systemkameras den viel größeren Kontrastumfang, also mehr Abstufungen zwischen hellen und dunklen Bildteilen. Handyfotos sehen im Vergleich flach aus, die Fotos mit Profikameras wirken natürlicher und dreidimensionaler.
- Bessere Nachtaufnahmen: Durch allerlei Bildverarbeitungstricks liefern Smartphones wie die neueren Google-Pixel-Geräte ansehnliche Nachtaufnahmen. Trotzdem sehen sie unnatürlich aus, da die Geräte mehrere Bilder nacheinander machen, sie vermischen und durch ihre Algorithmen jagen. Manche Bildteile wirken dadurch zu hell, manche verrauscht.
- Mehr Bedienmöglichkeiten: Für Fotografiezwecke haben Smartphones eine schlechte Haptik. Du steuerst sie nur über den Touchscreen, bestenfalls gibt es einen physischen Auslösebutton. Echte Kameras bieten Knöpfe, Schalter und Drehräder für alle möglichen Einstellungen wie ISO-Wert, Weißabgleich und auch für die Videoaufnahme. Auch liegen sie viel besser in der Hand.
Systemkamera versus Handy: Unser Fotovergleich
Ich war mit der Systemkamera Panasonic Lumix DMC-GH4 sowie mit meinem Smartphone Samsung Galaxy S20 FE 5G für einige Vergleichsfotos unterwegs. Es handelt sich um eine bezahlbare, schon etwas ältere Systemkamera mit Micro-Four-Thirds-Sensor und um ein Mittelklasse-Smartphone. Falls du dir also überlegst, ob eine günstige Systemkamera die Investition wert sein könnte, sind unsere Vergleichsfotos vielleicht nützlich für dich.
Du siehst zuerst immer das Foto mit der Systemkamera und dann das Handyfoto. Ein Unterschied zwischen den beiden Systemen wird dir auch schnell auffallen: Profikamerafotos sehen vor der Bildbearbeitung natürlicher aus, Handyfotos hingegen knalliger. So fallen sie mehr auf in den sozialen Netzwerken. Mit Bildbearbeitung können Systemkamerafotos aber ebenso gesättigt und bunt wirken.
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Fazit: Systemkamera oder Handy – die Frage stellt sich meist nicht
Handykameras sind für die meisten Menschen gut genug als Ersatz für Kompaktkameras. Systemkameras hingegen dienen Profis als Werkzeuge für ihre speziellen Einsatzzwecke. Außerdem sind spiegellose Systemkameras für Hobbyfotografen gedacht, die sich ernsthafter mit der Fotografie befassen möchten.
Ich persönlich glaube nicht, dass Smartphones jemals echte Kameras ablösen werden – sollten sie in meinen Augen auch nicht. Eine Handykamera für Fotos aus dem Alltag und ein Profiwerkzeug sind zwei verschiedene Dinge. Sie sind keine Konkurrenten. Für jeden Schnappschuss-Fan und jeden Fotografie-Enthusiasten gibt es das passende Gerät auf dem Markt. So kann jeder glücklich Fotos knipsen.
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